Würzburg: Kardinal-Faulhaber-Platz – schon wieder ein Bürgerentscheid 2017

Würzburg und seine Bürgerentscheide



Am Kardinal-Faulhaber-Platz stehen sich nur scheinbar ähnliche Konzepte von Aktionsbündnis Grüner Platz am Theater und Stadt(rat) Würzburg gegenüber. Im Kern geht es um die Frage, wieviel Individualverkehr künftig in die Würzburger Innenstadt fließen soll

Der Bürgerentscheid hat sich in Würzburg zu einem demokratischen Instrument entwickelt, dem danach regelmäßig die schier nicht enden wollenden Phasen des Stillstandes folgen. Ich will hier nur einige, für die Stadtentwicklung durchaus bedeutsame, Entscheide nennen.

Bürgerentscheid: Bahnhofs-Arkaden (2006)

Die bloße Einbindung der Stadtbevölkerung in den Entscheidungsprozess über die Bahnhofsarkaden unter Ausschluss des Landkreises, der dennoch ganz erheblich zum wirtschaftlichen Erfolg des kulturellen und wirtschaftlichen Angebotes der Stadt Würzburg beiträgt, bedeutete zum einen das jähe Ende eines neuen Einkaufserlebnisses am Würzburger Hauptbahnhof, zum anderen das jahrelange Aussetzen der längst überfälligen Neugestaltung des Bahnhofsareals unter Einbindung einer gestalterisch aufgewerteten Kaiserstraße. Die beiden letztgenannten städtebaulichen Entwicklungen werden jetzt – mit ordentlicher Verspätung – betrieben.

Das Aus für die Arkaden war allerdings gleichzeitig die Chance für eine großflächige Nutzung des Komplexes durch die Würzburger Posthallen GmbH und andere kulturelle Einrichtungen und Dienstleister.

Bürgerentscheid: Mozart-Gymnasium (2015)

Einige Jahre später der Bürgerentscheid über das Mozart-Gymnasium und der Slogan: „Rettet das MOZ!“

Dieses, nur mit erheblichem Aufwand, gerade unter Würdigung des auferlegten Denkmalschutzes, zu sanierende Gebäude harrt seitdem der Dinge, die da irgendwann mal kommen mögen.

Im Moment lediglich erkennbar:

Stillstand und weiterer Verfall einer Bausubstanz, die in Teilbereichen durchaus denkmalwürdig sein mag, als Ganzes für mich keinesweg zwingend erhaltenswert ist, wenn es überzeugendere Lösungsansätze für eine noch zu definierende Bauaufgabe gibt.

Inhaltlich käme für mich hier eine überwiegend kulturelle Nutzung mit Bildungsangeboten in Frage. Ein weiteres kommerzielles Angebot, das jahrelang ergebnislos diskutiert wurde, in fast unmittelbarer Nähe zur Residenz, erschien mir schon immer überflüssig und abwegig.

Wenn das Raumprogramm endlich mal stehen würde, könnte anschließend die Debatte über die Nutzung des Gebäudebestandes erfolgen. Natürlich müssen hier wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen, nicht aber – ich drücke es mal hart aus – rein ideologische Verblendungen, das Mozart-Gymnasium auf Gedeih und Verderb zu (er)halten. Gut nutzbare Gebäude werden schließlich von Innen nach Außen, selbstverständlich unter Würdigung des Umfeldes und des Bestandes, entwickelt.

Nebenbei sei daran erinnert, dass für die Sanierung der vorgelagerten Hofstraße vor wenigen Jahren noch (im Kontext mit geplanten Sanierungsmaßnahmen an der Residenz und deren unmittelbaren Umfeld) Fördermittel zur Verfügung standen, die aufgrund der leidvollen Debatte um die Nachnutzung des MOZ-Areals „verfielen“.

Bürgerentscheid: Kardinal-Faulhaber-Platz (2017)

Bei der aktuell geführten Debatte fällt die Kernfrage, um die es meines Erachtens geht, aufgrund von „Machbarkeitsaspekten“ immer wieder hinten runter.

Die wesentliche Frage, die sich die Würzburger stellen müssen, lautet schlicht und ergreifend:

„Welche innerstädtische Vision von Leben in der Stadt soll mittel- und langfristig in Würzburg realisiert werden? Welche Vorstellung von Stadt haben die Würzburger?“

Die Sanierung von Eichhorn- und Spiegelstraße stellt zweifellos einen deutlich spürbaren Qualitätsgewinn für die Würzburger Innenstadt dar. Die Parkplatzsituation hinter dem Dom ist derzeit hingegen noch alles andere als optisch und funktional befriedigend. Hier ist eine deutliche Reduzierung des Angebotes an Parkplätzen angezeigt, wenn man dort der bedeutenden städtebaulichen Situation endlich gerecht werden möchte.

Ein alternatives Parkierungsangebot unter dem Kardinal-Faulhaber-Platz ist in diesem Kontext zwar ein grundsätzlich nachvollziehbarer Vorschlag, wenn man der Auffassung ist, dass der status quo für den ruhenden Verkehr in Würzburg, gerade auch aufgrund des Wegfalls von Stellplätzen in der Spiegel- und Eichhornstraße, unbedingt zu halten ist. Klar, die geltende Stellplatzsatzung, ggf. mit Ablösung von Stellplätzen, bringt auch die Stadtverwaltung in gewisse Handlungsnöte.

Kurzer Exkurs in Sachen Erlebniswert der Würzburger Innenstadt

Die Sanierung der Tiefgarage unter dem Marktplatz und die verkehrstechnische Erschließung derselben sind alles andere als glückliche Lösungen, sondern ebenfalls „logische“ Folgen einer „kardinalen“ Fehlentscheidung der 1960er Jahre im Sinne einer möglichst autogerechten Innenstadt und einer nur leidlich funktionierenden Fußgängerzone, in der man sich aussuchen kann, ob man von der Straßenbahn, von rücksichtslosen Radfahrern, fast permanentem Lieferverkehr oder völlig unberechtigt dort herum kurvenden PKW zur Strecke gebracht werden möchte. Ich kann in der überwiegend kommerziell genutzten Würzburger Innenstadt schon lange keinen positiven Erlebniswert mehr wahrnehmen. 

Nein, Würzburg macht mir hier größtenteils leider gar keinen Spaß mehr.

Ich halte, gerade unter Hinweis auf die neue Marktgarage, kein Plädoyer für zusätzliche Parkplätze unter dem Kardinal-Faulhaber-Platz, da diese bauliche Reaktion letztlich den störenden Individualverkehr in der Stadt keineswegs einschränken würde, sondern ihm weiterhin ein attraktives Angebot unterbreitet, mit dem PKW möglichst nah in den Herzbereich der Stadt Würzburg vorzustoßen.

Gut, ich habe leicht reden. Ich wohne im Landkreis und geniesse dort eine sehr gute Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs.

Ich bin überwiegend „online“

Darüberhinaus bestelle ich, wie viele andere auch, Artikel meines übrigen Bedarfs längst zu einem hohen Prozentsatz im Internet und besuche Würzburg eigentlich nur noch, um dortige Fachärzte zu konsultieren, das Angebot der Stadtbücherei oder irgendwelche kulturellen Veranstaltungen wahrzunehmen.

Zudem fahre ich einen Diesel und werde Würzburg bald ohnehin nicht mehr mit diesem PKW aufgrund zeitweise erhöhter Feinstaubwerte im Würzburger Kessel erreichen.

Die Stadt als Ort des Warenhandels wird aber – nicht allein aufgrund meines individuellen Kaufverhaltens – ganz sicher noch weiter an Bedeutung verlieren.

Insofern muß man auch inhaltlich die Themen Stadt, Dienstleistung, Kultur, Verkehr und (etwas) Handel neu denken lernen.

Stadtnahe, nicht innerstädtische, Parkplätze, begleitet von attraktiven Park & Ride – Angeboten müssen selbstverständlich in diese Konzepte einbezogen werden.

Der Residenzplatz als zwar geschrumpfter, aber noch immer großflächiger Parkplatz (der Bayerischen Schlösserverwaltung) ist dabei keineswegs zukunftsweisend, sondern eher ein Zugeständnis an den Würzburger Einzelhandel, der verständlicherweise gegenteilige Interessen vertritt.

Den nicht bebauten, dafür teilweise begrünten, Kardinal-Faulhaber-Platz halte ich persönlich für eine grundsätzlich richtige Antwort im Hinblick auf eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung.

Während ihn die beiden vorgestellten Konzepte von Stadt und Aktionsbündnis stark im Kontext der sich anschließenden Fußgängerzone in der Spiegelstraße sehen, würde ich diesen Platz nur zu gerne noch stärker als Vorplatz des zu sanierenden Mainfranken-Theaters wahrnehmen wollen. Dem steht aber – ich muss es einsehen – die fürchterliche Schneise der Theaterstraße, die möglicherweise irgendwann auch noch den Gleiskörper einer Straßenbahn ins Hubland aufnehmen soll, gegenüber. Wann diese Bahn allerdings jemals fahren wird, weiß niemand!

Ob der Kardinal-Faulhaber-Platz einen meßbaren Beitrag im Sinne einer erweiterten grüne Lunge Würzburgs zu leisten im Stande ist, vermag ich nicht einzuschätzen. Die Wurzeltiefe von geeigneten Stadtbäumen und die seitens des Stadtrates vorgeschlagene Tiefgarage sind dennoch nicht zwingend untereinander konkurrierende Zielsetzungen, auch wenn das stark simplifizierende Plakat der Freien Demokraten eine solche Diskussion befeuern mag. Die Diskussion über Anzahl der Bäume (Park) lenkt ebenfalls nur vom eigentlichen Thema ab.

Gestalterisch, ich gebe es zu, kann mich im Konzeptstadium keine der beiden Varianten wirklich überzeugen. Ein städtebaulicher Wettbewerb wäre hier durchaus angezeigt, wenn die Würzburger endlich entschieden haben, wie es überhaupt weiter gehen soll.

Bürgerentscheid: Kleine Randnotiz

Das, was mich wirklich ganz arg bewegt, ist allerdings noch folgende Frage:

„Was wird aus dem Bratwurststand, bei dem ich mir früher in der Mittagspause herrlich schmeckende Thüringer Bratwürste gegönnt habe?“

Keine der beiden zur Diskussion stehenden Konzeptplanungen gibt hier einen – mich nachhaltig beruhigenden – Hinweis.

Soll etwa eine weitere Würzburger Attraktion wegfallen?

Muss ich möglicherweise die Initiative „Rettet die Thüringer Bratwurst in Würzburg“ anstoßen?

Würzburg: Kardinal-Faulhaber-Platz - schon wieder ein Bürgerentscheid 2017
Buergerentscheid – Kardinal-Faulhaber-Platz Wuerzburg 2017
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Buergerentscheid – Kardinal-Faulhaber-Platz Wuerzburg 2017

© Gerald Langer


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