Venedig im Oktober 2014 (Reise)

Mein Reisetagebuch Venedig: Ein persönlicher Reisebericht

Reisezeitraum: 02.10.2014 bis 08.10.2014



Guy de Maupassant: Die Irrfahrten des Herrn de Maupassant, 1885

Venedig! Gibt es eine Stadt, die mehr bewundert und gerühmt, von Dichtern begeisterter besungen, von Verliebten heiß ersehnt, die mehr besucht und besser bekannt wäre?

Venedig! Gibt es in den Sprachen der Menschheit einen Namen, der so viele Träume ausgelöst hätte wie dieser? Er ist noch dazu hübsch, klangvoll und weich, er ruft mit einem Schlag ein prächtiges Defilee herrlicher Erinnerungen und einen ganzen Horizont voll bezaubernder Wunschbilder im Geiste wach. 

Venedig! Dies eine Wort scheint die Sinne in heftigen Aufruhr zu versetzen. Es erregt alles, was in uns poetisch ist, es fordert unsere Begeisterungsfähigkeit heraus, und wenn wir in diese einzigartige Stadt kommen, betrachten wir sie unweigerlich mit wohlvorbereiteten, vorweg bezauberten Augen, betrachten wir sie durch unsere eigenen Träume.


Donnerstag, 2. Oktober 2014

Ganz so früh, wie geplant, kommen wir doch nicht los. Aber um 6:45 sind wir bei Jutta und Marius. Mit den Beiden möchten wir die nächste Woche in der Lagunenstadt verbringen. Am Steuer heute ausschließlich Uschi – mit dem alten Fiesta kennt sie sich am besten aus. Erste Auflösungserscheinungen zeigt das Fahrzeug schon nach etwa zweihundert Kilometern, als sich die rechte Abdeckleiste des Seitenholms löst und verdächtig flattert. Ich dachte schon, dass sich unsere geräumige Dachbox im „Sargformat“ vom Fahrzeug verabschieden möchte.

Um 15:45 kommen wir in Maestre an. Dort geht es in eine – wider Erwarten – sehr geräumige Parkgarage, die sich über einen Zahlencode öffnen lässt. Das Auto steht hier wirklich gut. Zu Fuß und mit unserem Gepäck beladen laufen wir zum nahe gelegenen Bahnhof und fahren von dort aus mit der Bahn – eine knappe Viertelstunde Fahrzeit – nach Venedig. Am Bahnhof gleich das 7-Tagesticket für das Vaporetto gekauft und dann möglichst nahe mit dem „besonderen Bus“ an unser Quartier in Canareggio heranfahren. Uschi hat sich wie immer um alles gekümmert, so dass unser Quartett das Wohndomizil sicher erreicht.

Das Abendessen nehmen wir im Gam Gam, einem in zahlreichen Reiseführern empfohlenen koscheren Restaurant, ein. Meine Portion ist sehr übersichtlich, aber gut.  Bekomme von Uschi einen Nachschlag Couscous. Um 20:15 sind wir zurück im Quartier und lassen den ersten Tag ausklingen.


Freitag, 3. Oktober 2014

Die Wiedervereinigungsfeierlichkeiten in good old Germany finden wieder einmal ohne uns statt. Wir haben Venedig im Visier. Und diese Stadt quillt geradezu über vor Touristen. Und wir mitten drin.

Zuerst einmal die Komponenten zum gemeinsamen Frühstück besorgen. Nicht jeder von uns ist geneigt, in der nächsten Espressobar einen Kaffee oder Cappuccino einzuwerfen. Zumindest Uschi favorisiert den Tee.

Es ist besonders schön, sich im morgendlichen Canareggio den Weg zu Bäcker und kleinem Supermarkt zu bahnen. Die Schule beginnt erst um 8:30. Die Eltern tragen regelmäßig die Schultaschen ihrer Kinder, bevor der Gepäckwechsel vor der Schule stattfindet.

Der Himmel ist noch etwas verhangen, aber die Sonne bahnt sich ihren Weg. Wir auch, zunächst mit dem Vaporetto auf dem Canal Grande bis zum Markusplatz, hindurch unter der Rialtobrücke, vorbei am Peggy Guggenheim Museum und vorbei auch an Santa Maria della Salute. Typische Eindrücke des Pauschaltouristen aufsaugen.

Am Markusplatz sind wir – was ein Wunder – nicht allein. Der Platz ist proppendick voll.  Erst einmal unter den Arkaden den Schatten suchen. Der Olivettiladen von Carlo Scarpa ist Museum. Die Schreibmaschinen des Herstellers verraten auch sofort warum. Der Markusdom ist eingerüstet. War vor 25 Jahren noch anders.

Vom Markusplatz aus geht es durch ein Gewirr an Gassen bis zur Rialtobrücke. Hunger haben wir bekommen. Die Trattoria, die uns auf dem Hinweg aufgefallen war, finden wir wieder und werden dort verwöhnt. Alles passt, das Essen und auch die Freundlichkeit des ausschließlich männlichen Personals. Anschließend besuchen wir die legendäre Buchhandlung Libreria Acqua Alta di Frizz Luigi.

Mit dem Vaporetto geht es dann zurück, die letzten Meter zu Fuß. Abends versuchen wir nochmals unser Glück mit Essengehen. Leider ist der Versuch von wenig Erfolg gekrönt. Die Pizzeria im nahen jüdischen Viertel fabriziert zwar durchaus ansehnliche Speisen. Geschmacklich allerdings ein Fehlgriff, oder einfach nur geschmacklos. Am Nebentisch hat sich eine illustre Gruppe deutschsprachiger älterer Herren und vergleichsweise jungen Damen versammelt. Die wollen es mal krachen lassen. Wahrscheinlich haut hier irgendeine Versicherung oder eine deutsche Bank die Einzahlungen ihrer Klienten auf den Kopf. Sehr seltsam. Wir lesen wahrscheinlich bald von dem Skandälchen, oder auch nicht. Deutscher Alltag in Italien.

Ein Glas Rotwein daheim hilft über unseren kleinen Kummer hinweg.


Samstag, 4. Oktober 2014

Heute haben wir uns die Inseln vor Venedig vorgenommen. Am meisten interessiert mich die Friedhofsinsel San Michele. Architekt David Chipperfield hat dort seine Spuren hinterlassen. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich mir dort mehr erwartet. Mit dunkel eingefärbten Beton wurden ein bzw. mehrere Häuser für die Toten geschaffen. Tot sein heißt in Italien und insbesondere in Venedig, gestapelt zu werden. Die Angehöri-gen benutzen fahrbare Metallleitern, um Blumen an den „Schubfächern der Hochregalanlage“ auszutauschen. Ein emailliertes Portraitschildchen erleichtert die Wiederauffindbarkeit der Verstorbenen.

Normale Gräber gibt es auch, zum Beispiel auch das von Igor Strawinsky, der neben seiner Frau Vera beigesetzt wurde.

Gegen 12:00 fahren wir weiter zur Glasbläserinsel Murano. Dort scheinen sich, wie in Venedig auch, vor allem Asiaten aufzuhalten. So richtig springt hier der Funke nicht über. Überwiegend Glaskitsch. Dort, wo es in der Glasverarbeitung anspruchsvoller wird, fehlen regelmäßig die Preisschilder. Typisch! das nächste Mal fahren wir da unter der Woche hin – dann hat man Einblick in die Werkstätten – wie vor 25 Jahren.

Von Murano geht es nach Burano, das sich durch eine Vielzahl bunter Häuser auszeichnet. Hier hat man die derzeit via TV penetrant beworbenen Millionen Farben der Supermarktkette Hornbach auf die Hausfassaden verteilt. Nicht alles ist geglückt. Die Nepper-, Schlepper-, Bauernfängerinsel kann ansonsten nicht viel bieten. Wir verlassen sie nach gut neunzig Minuten wieder. Nie mehr dorthin, wirklich!

Die Vaporettofahrt dauert schon etwas. In Venedig ein Umstieg und an der Nordseite der Insel vorbei bis zum Markusplatz. Trotz des ganzen Trubels sind wir wieder froh, hier zu sein. Wir suchen unter Inkaufnahme eines Umweges via Rialtobrücke unsere Trattoria und werden endlich auch fündig. Unsere Geduld hat sich ausgezahlt. Alles passt. Der Rückweg wieder teilvaporettisiert bis zur Ca’ d’Oro und von dort zu Fuß nach Hause.


Sonntag, 5. Oktober 2014

Marius feiert heute seinen 57. Geburtstag – in Venedig. Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Vaporetto zur Accademia, laufen ein bisschen in diesem Quartier herum, suchen unsere alte Pizzeria von vor 25 Jahren vergeblich. Reizvoll ist dieses Quartier dennoch. Santa Maria della Salute ist auch nicht weit, der Weg führt vorbei am Peggy Guggenheim Museum.

Anschließend setzen wir mit dem Vaporetto über, weiter geht‘s zu Carlo Scarpa Stampalia. Der neuere Einbau von Mario Botta kann nicht so recht überzeugen. Der Weg durch die Stadt am Markusplatz vorbei ist eine Qual – Touristen über Touristen. Wo ist das Teatro La Fenice? Waren wir vor 25 Jahren im benachbarten einfachen Hotel Mercurio?

Schönes Abendessen nach ausgiebigem, aber strapaziösem, Spaziergang tagsüber im Gam Gam.


Montag, 6. Oktober 2014

Nochmal ein klassischer Venedigtag. Die Damen schauen sich einen Palazzo an, die Herren geniessen einen Cappuccino am Canale Grande. Danach setzen wir auf die Giudetta über. Kommt auch bei Donna Leon vor. Spaziergang und Weiterfahrt nach San Giorgio. Asiaten-Hochzeit, Äthiopien-Ausstellung und auch das japanische Teehaus finden wir noch.

Danach zur Lieblingstrattoria und endlose Fahrten auf dem Canal Grande. Entdecke die Calatrava-Brücke am Bahnhof. Die Rückfahrt zu Santa Maria della Salute ist erfolgreich – wunderbares Abendlicht. Abendessen und Rotwein daheim.


Dienstag, 7. Oktober 2014

Unser letzter Tag in Venedig und ich habe mich gegen die Biennale der Architektur entschieden. Irgendwie hätte sie mich ja schon gereizt, aber zusammen durch die Stadt streunern macht noch mehr Spaß. Für was den Architekturtheorie vertiefen, wenn man sich in einer so imposanten Stadt aufhält?

Wir steuern nochmals die Gallerie dell Accademia an – hier hat der großartige Architekt Carlo Scarpa vor Jahrzehnten bereits Hand angelegt. Ein Besuch bei einer der letzten Werkstätten für Gondeln schließt sich an. Hier geht alles mit venezianischer Gelassenheit von statten. Rege Betriebsamkeit sieht anders aus. Zu Fuß vorbei an der Universität. Auf dem Weg entdecken wir unser Lokal San Trovaso. Auf unserer Hochzeitsreise sind wir hier abends regelmäßig eingekehrt.

Über die Ponte dell’Accademia gelangen wir den Campo Santo Stefano zum Teatro La Fenice, welches kurz nach unserer Hochzeitreise abgefackelt und in den Jahren danach vom Büro Aldo Rossi wieder aufgebaut wurde. hat alles länger gedauert als geplant. Das Ergebnis scheint stimmig. Nur die Damen gönnen sich eine Führung durch das Haus. Die Herren ziehen den Capuccino vor. Allerdings finde ich unser damaliges Hotel Mercurio in einer sehr schmalen Gasse nahe dem Theater wieder. Uschi hatte es allerdings bereits zwei Tage zuvor beim sonntäglichen Spaziergang entdeckt.

Gemeinsam setzen wir dann in das Viertel San Polo über. Kurzer Spaziergang, der Fotorucksack wird schwerer und schwerer, ich älter und älter. Unser Mittagessen nehmen wir am Fondamenta delle Zarttere al Saloni ein. Blick auf die Giudecca. Ein fantastisches Eis gönnen wir uns auch. So gestärkt machen wir uns auf zu San Marco und besuchen „den“ Sakralbau Venedigs. Die Schlange ist am Abend kurz, die Rucksäcke dürfen allerdings nicht mit ins Gebäude. Wir wechseln uns ab. Ich bin meine eigene Gruppe.

Danach geht es nach Hause zum italienischen Abendessen mit Käse, Salami, Schinken, Oliven und Rotwein.

Mit einer abendlichen Fahrt auf dem Vaporetto und einem letzten Blick auf Santa Maria della Salute und den Markusplatz schließen wir den schönen, aber gleichsam auch anstrengenden Aufenthalt in Venedig ab.


Mittwoch, 8. Oktober 2014

Nach dem Frühstück geht es via Vaporetto und Zug nach Maestre zum Auto. Gegen 11:15 starten wir die Rückreise, um 20:00 sind wir in Würzburg. Schön wieder in der Heimat zu sein.

Habe einen unwahrscheinlichen Appetit auf Schäufele beim Kürnacher Schwanen. Der Wunsch geht in Erfüllung.

Ich bin noch in Italien der Auffassung, dass mein Lebenszeitbedarf an Venedig nun abgedeckt sei. Zuhause angekommen sehe ich das allerdings nach wenigen Tagen schon wieder etwas anders. Die Reisezeit werden wir jedoch gut überlegen.

Um dem Massentourismus zu entgehen, peilen wir künftig den Zeitraum von November bis Januar an. Der Karneval in Venedig erscheint zwar reizvoll, ist sicherlich kein Geheimtipp mehr. Wir packen dann zusätzlich Gummistiefel im Hinblick auf die dann üblichen Hochwässer ein.


20141008 Venedig iphone © gerald langer 504 - Gerald Langer
Venedig – Heimfahrt – 08/10/2014 – © Gerald Langer

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Venedig – Heimfahrt – 08/10/2014 – © Gerald Langer

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