Britta Thie: STUDIO (Ausstellung Deichtorhallen Hamburg)

Britta Thie

Thema: STUDIO
Zeitraum: 07.03. – 04.05.2025
Ort: Halle für Aktuelle Kunst / Deichtorhallen Hamburg

Credit: Portrait Britta Thie
Copyright: © Courtesy of the artist and Wentrup, Berlin, Foto: Jeanne Degraa



Pressetext

Die Künstlerin Britta Thie ist bekannt für ihre Arbeiten an der Schnittstelle von Malerei, Film und digitalen Medien, in denen sie die Ästhetik und Mechanismen unserer mediatisierten Welt thematisiert.

Vom 7. März bis 4. Mai 2025 präsentieren die Deichtorhallen Hamburg Thies hyperrealistische Gemälde unter dem Titel STUDIO erstmals als raumgreifendes installatives Ensemble.

britta thie
Britta Thie, Skylight, 2025
Copyright: © Courtesy die Künstlerin und Galerie Wentrup Berlin Foto: Matthias Kolb


Für STUDIO bedient sich Britta Thie eingefrorener Bildwelten und überführt echte Filmkulissen in den Ausstellungsraum. Diese werden zum Setting für die Malereien, die technisches Equipment portraitieren: Scheinwerfer, Kamera-Zubehör und andere Apparaturen werden zu Hauptfiguren. Britta Thie interessiert sich für die Strukturen hinter den Kameras und verhandelt zentrale Fragen zur Beziehung von analogen und digitalen Bildwelten, zur Entstehung von Fiktion und zur Bedeutung von Produktionsprozessen in der zeitgenössischen Medienlandschaft

In den Deichtorhallen Hamburg zeigt Britta Thie neue Werke ihrer Serie hyperrealistischer Gemälde, die bei Film- und Serienproduktionen zum Einsatz kommendes technisches Equipment zeigen. Die Malereien basieren auf eigenen Fotografien Thies, die sie als Teil eines aufwändigen Recherche Prozesses bei Besuchen verschiedener Filmsets aufgenommen hat. Die Geräte, die sonst im Hintergrund bleiben, rücken in den Gemälden nun isoliert in den Fokus. Sie gewinnen eine hyperrealistische Präsenz, die an die hochaufgelösten Bewegtbilder von UHD-Screens erinnert.

Mit ihrer Installation STUDIO geht die Künstlerin noch einen Schritt weiter: Sie platziert die Malereien in Fragmenten zwei realer Filmsets. Damit verweist sie auf sogenannte „Prop-Graveyards“, Requisiten Friedhöfe der aufwändig gebauten Kulissen, die nach Ablauf der Dreharbeiten in Lagerhäuser verbannt werden. Dort schlummern die zahllosen Geschichten, losgelöst von Raum und Zeit, und hoffen – oft vergebens – darauf, für eine weitere Staffel wiederbelebt zu werden.

Die in dieser Installation wieder errichteten Filmsets, Fragmente der Raumkapsel des Science Fiction Films „Epilogue“, sowie eine Schleuse der Comedyserie „The Stardust Hotel“ versprühen den Nachhall vergangener Filmproduktionen und wirken wie Nachbilder fragmentierter Erzählstränge. Das Baumaterial der Kulissen scheint noch wie aufgeladen von den Dramen vor und hinter der Kamera.

Auf diese Weise erschafft Britta Thie eine räumlich erfahrbare Partitur eines Filmdrehs. Sie präsentiert die bildgenerierenden Maschinen und das Filmequipment als eigenen Ensemble-Cast und kreiert so eine Kartografie der komplexen, minutiös geplanten Choreographien der technischen Objekte, die sich innerhalb dieser fiktiven Landschaften am Set abspielten. Im Ausstellungsraum wirken die Gemälde des Filmequipments wie eine Ahnengalerie von Technik; wie eine Familienaufstellung der Apparate und deren komplexe Strukturen beim Dreh.

STUDIO zeigt Momentaufnahmen: Das Sandwich, das während einer kurzen Pause auf der Ablage eines Focus Puller Monitors platziert wird (Lunch Break, 2025). Ein Cherry Picker Lichtkran, der vor dramatisch abendrotem Himmel seine 15 Minuten zu genießen scheint (Skylight, 2025). Set-Lichter, deren schillernde Filterfolien, sogenannte Gels, mit Klammern festgesteckt sind, erinnern an Models im Backstage, die nur darauf warten, auf den Laufsteg zu treten (Gels, 2025).

Die zahlreichen Antennen eines Teradeks erwecken den Anschein, als blickten uns zwei Augenpaare mit langen Wimpern entgegen (DIT Cart, 2025). Die sonst verborgenen Hilfsmittel des Camera Operators in „Color Case“ wirken wie ein Erste-Hilfe-Koffer für die Kamera und bekommen hier ihr begehrtes Close-Up. Im Hintergrund des Bildes ist eine der wenigen menschlichen Akteurinnen zu sehen, die in diesem Gefüge wie eine Komparsin wirkt.

In Crew (2025) sind die Menschen nur als Silhouetten zu erkennen, die vor einem gigantischen Greenscreen einer geheimen Choreografie zu folgen scheinen. Dabei ist der eigentliche Star dieser Szenerie das Licht, welches als überbordende Sonne vor einem Horizont, der nur in VFX existiert, schwebt.

Die Werke Spotlight und Candle Light erlauben uns dagegen einen Einblick in physisch nachgebaute Welten. Das Filmequipment ist inmitten eines viktorianischen Filmsets platziert und trotz des sichtbaren Kontrastes zwischen den Ären, den technischen Geräten und den Requisiten, bekommt man den Eindruck, als wären die Scheinwerfer alt eingesessene Bewohner*innen dieser künstlichen Räume aus Seidentapete und Parkett, die man gerade bei ihrem täglichen Schaffen ertappt.

Ihre auf den ersten Blick chaotische Platzierung entspricht ihren tatsächlichen Positionen während des Drehs und stört so bewusst das Narrativ der Filmsets. Und so erzählt diese Ahnengalerie der Geräte nicht nur von der Technik, sondern auch von den verborgenen Menschen und Maschinen hinter der Geschichte, deren Arbeit unsere Fiktionen ermöglichen.

STUDIO spiegelt eine Reihe von Dissonanzen wider, die unseren zeitgenössischen Umgang mit und die Erwartungshaltungen an Medien offenlegen. Die Installation lässt die Grenze zwischen der Kulisse mit dem vermeintlich realen Leben verschwimmen und spiegelt ein Wechselspiel der Zeitlichkeiten parallel laufender Geschichten wider: Zwischen Chaos am Set und Ordnung in der Szene, zwischen der inhärent analogen menschlichen Arbeit mit Emotion und Körper durch die Schauspielenden im Kontrast zur maschinellen Arbeit der hochtechnisierten Geräte, die jene Körper abbilden sowie insbesondere auch der Arbeit der Menschen, die jene Geräte bedienen.

STUDIO stellt Fragen zur Sichtbarkeit verschiedener Arbeiten am Set und den Machtstrukturen, die ihr zugrunde liegen, sowie zur Nachhaltigkeit im Film- und Museumsbetrieb. Britta Thie präsentiert uns eine Studie aufmerksamkeitsökonomischer Strukturen, in denen die Beziehung von Produktion, den monatelangen Filmdrehs, und der Rezeption, dem „Binge Watching“ neben dem abschweifenden Blick auf das Handy – der “first und second screen experience” – nicht weiter voneinander entfernt sein könnten.

In Kooperation mit der Galerie Wentrup, Berlin

© Text: Anna-Lisa Scherfose


Britta Thie (Vita)

Britta Thie absolvierte ein Studium an der Universität der Künste Berlin, studierte an der Cooper Union of Science and Art New York und Kunstakademie Münster. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Sie hatte Einzelausstellungen in der Schirn Kunsthalle, Frankfurt, DE; Schinkel Pavillon, Berlin, DE; Museum Abteiberg, Mönchengladbach, DE; Leopold-Hoesch-Museum in Düren, DE; Kunstverein Göttingen, DE; Nassauischer Kunstverein Wiesbaden, DE.

Außerdem nahm sie an Gruppenausstellungen in Institutionen wie der Bundeskunsthalle Bonn, DE; Villa Merkel, Esslingen, DE; Public Art Fund, New York, US; MOCA, Toronto, CA; Mumok, Wien, AT; Bundeskunsthalle Bonn, DE; KW Institute for Contemporary Art, Berlin, DE; Anthology Film Archives, New York, US; Kestner Gesellschaft, Hannover, DE; Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt, DE; Julia Stoschek Collection, Berlin, DE; Kunsthalle Osnabrück, DE; National Gallery of Denmark, Kopenhagen, DK teil.

Werke von Thie befinden sich in den folgenden Sammlungen: Julia Stoschek Collection Berlin, DE; Bundeskunstsammlung, Bonn, DE; Öffentliche Sammlung des Museumsvereins Mönchengladbach, DE; Sammlung Vestfossen Kunstlaboratorium, Vestfossen, NO; Sammlung Catharina Svanborg, Malmö, SE; Sammlung Trevor McFedries, Miami, US; Sammlung Eva Gödel, Tomorrow is Another Day, Düsseldorf, DE; Sammlung JPH, München, DE.

Filmset Epilogue

FILMSET EPILOGUE

Vielen Dank an David Lichtenauer für die großzügige Leihgabe der Raumkapsel des Films „Epilogue“. Der Film ist der erste Teil der Science Fiction Reihe „The Evolution of Machine“ bei der Lichtenauer sowohl als Regisseur als auch Szenograf mitwirkt. Das Independent Projekt wurde im Herbst 2024 abgedreht und befindet sich aktuell in der Postproduktion. Die Veröffentlichung ist für Winter 2026/2027 geplant. Über die Spielfilmreihe hinaus entwickelt das Team um Lichtenauer derzeit das Extended Reality Computerspiel „Aeyuna XR“ sowie ein multimediale Ausstellung mit dem Namen „Echoes of a long lost future“, die die Besuchenden auf eine Reise in das imaginäre Sternensystem „Aeyuna“ entführt.

Lichtenauer arbeitet seit 2011 als freischaffender Künstler, Handwerker und Filmemacher in Berlin.

© Pressetext: Deichtorhallen Hamburg


Eckdaten

Eröffnung der Ausstellung

Donnerstag, 6. März 2025, 19 Uhr in der Halle für Aktuelle Kunst.

Die Künstlerin ist anwesend.

Öffnungszeiten

Dienstag – Sonntag, 11–18 Uhr.
Jeden 1. Donnerstag im Monat 11–21 Uhr bei freiem Eintritt von 18-21 Uhr.

Adresse

Deichtorhallen Hamburg, Deichtorstr. 1-2, 20095 Hamburg, Tel. 040-321030,E-Mail: besucherbuero@deichtorhallen.de

WWW.DEICHTORHALLEN.DE

© Pressetext: Deichtorhallen Hamburg


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